Medikamente für schwer therapierbare Erkrankungen noch schneller entwickeln

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Das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP eröffnet neue Station für frühe klinische Studien: eine Early Clinical Trial Unit (ECTU).

© Universitätsmedizin Göttingen | Swen Pförtner
Start der neuen ECTU-Station an der UMG (v.l.): Prof. Dr. Frank Behrens (Bereichsleiter Klinische Forschung Fraunhofer ITMP), Prof. Dr. Martin Weber (Leiter ECTU am Fraunhofer ITMP-TNM), Prof. Dr. Stefan Jakobs (Standortleiter Fraunhofer ITMP-TNM), Prof. Wolfgang Brück (Sprecher des Vorstandes der UMG), Dr. Sabine Johannsen (Staatssekretärin im MWK), Prof. Dr. Dr. Gerd Geißlinger (Leiter des Fraunhofer ITMP).

Göttingen. Das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP eröffnet am Donnerstag, dem 15. September 2022, eine Early Clinical Trial Unit (ECTU) für frühe klinische Phase I-Studien. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der erstmaligen klinischen Testung von Wirkstoffen zur Behandlung von weitgehend schwer therapierbaren (Autoimmun-)Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS), wie Multiple Sklerose oder Morbus Parkinson. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse schnell und gezielt in Diagnostik, Therapien und Prävention zu bringen. An der Eröffnungsveranstaltung für die neue Station nahm die Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Dr. Sabine Johannsen, teil.

Die neue Early Clinical Trial Unit (ECTU) für frühe klinische Studien ist in den Fraunhofer-Standort für »Translationale Neuroinflammation und Automatisierte Mikroskopie« des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP ein-gebunden. Das Fraunhofer ITMP bündelt die Synergien der fünf beteiligten Standorte in Frankfurt a.M., Hamburg, Göttingen, Berlin und München/Penzberg mit einem gemeinsamen Ziel: die Entschlüsselung von Autoimmunerkrankungen. Dabei setzt es auf einen so genannten »4D Hub« für eine individualisierte Medizin. Die »4D« stehen dabei für »Drugs, Diagnostic, Data and Devices«, also einer Plattform aus den vier Säulen Medikamente, Diagnostik, Daten und medizinische Systeme.

Die Early Clinical Trial Unit umfasst vier moderne Bettenplätze, einen Monitoringraum, ein Arztzimmer sowie Räume für Labor, Dokumentation und Archivierung. Die Räume der ECTU liegen bewusst besonders nahe an der neurologischen Intensivstation, der neurologischen Tagesklinik und den Ambulanzräumen der Klinik für Neurologie der UMG. Zudem ist auch die Aufnahmestation der Zentralen Notaufnahme (ZNA) im vorderen Teil der Station 2011 zu finden, somit kann eine sofortige Notfallversorgung der Probandinnen und Probanden sichergestellt werden.

In der ECTU werden Patientinnen und Patienten sowie Probandinnen und Probanden in frühen klinischen Phase I/II Studien behandelt. In Phase I-Studien kommen Therapieansätze oder Prüfpräparate zur Anwendung, die noch nicht zugelassen sind. Bevor ein Medikament zugelassen wird, muss es eine Reihe von klinischen Prüfungen durchlaufen. Ziel der Phase I-Studien ist es, Informationen über die Verträglichkeit, die Unbedenklichkeit und Pharmakokinetik zu gewinnen. Die innerhalb der UMG angesiedelte ECTU verfügt über alle notwendigen personellen und strukturellen Voraussetzungen, die für die Durchführung von frühen Phase I-Studien erforderlich und vorgeschrieben sind. Die ECTU arbeitet zudem eng mit dem Studienzentrum der UMG zusammen.

Prof. Dr. Wolfgang Brück, Sprecher des Vorstandes der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), sagt: »Die Kooperation von Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP und der Universitätsmedizin Göttingen passt als Erfolgsmodell zusammen: Beide haben sich dem Ansatz der translationalen Medizin, der schnellen und effizienten Umsetzung vorklinischer Grundlagenforschung in die klinische Entwicklung, verpflichtet, beide konzentrieren sich am Standort Göttingen auf den Schwerpunkt Neurowissenschaften und weisen hier eine große Expertise aus. Dazu kommt der Wissenschaftsstandort Göttingen mit seiner engen Kooperation und Vernetzung zwischen Universitätsmedizin, Universität und außeruniversitären Einrichtungen. Hier fehlte bislang Fraunhofer. Die Fraunhofer Außenstelle passt ideal in die Transfer-Aktivitäten und Initiativen, die wir in den beiden letzten Jahren hier in Göttingen angestoßen haben.«

Dr. Sabine Johannsen, Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK), sagte: »Ziel der Landesregierung ist es, alle Wissenschaftspotentiale in Niedersachsen zu nutzen. Die Kooperation von Fraunhofer-Institut und UMG ist hierfür ein gutes Beispiel, sie schließt eine bislang bestehende Lücke. Das MWK hat den klaren Willen, Hindernisse zu überwinden, kreative Wege zu suchen und verkürzte Prüfungs- und Genehmigungsverfahren unter Einhaltung aller vorgegebenen Qualitätsmaßstäbe zu erstellen, damit die Forschungsergebnisse direkt zu den Patientinnen und Patienten kommen.«

Prof. Dr. Dr. Gerd Geißlinger, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP, sagte: »Die Behandlung neurologischer Erkrankungen sind die großen medizinischen, wissenschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Dazu bedarf es einer ‚Gesundheitswende‘. Hier braucht es eine exzellente Grundlagenforschung, die schnellstmöglich in die klinische Anwendung und zu den Patientinnen und Patienten kommt. Das hat sich das Fraunhofer-Institut ITMP als Ziel gesetzt. Wir wollen aus Inventionen Innovationen machen, also dafür forschen, dass Erfindungen auch wirklich bei den Patientinnen und Patienten ankommen. Die UMG ist hierfür genau der richtige Partner, eine Win-win-Situation. In unserer Kooperation nimmt keiner dem anderen etwas weg. Nur gemeinsam werden wir erfolgreich sein. Den Gewinn haben die Patientinnen und Patienten, aber auch der Forschungsstandort Deutschland.«

Prof. Dr. Martin Weber, Stellvertreter des Direktors der Klinik für Neurologie der UMG, leitet die neue Early Clinical Trial Unit am Fraunhofer ITMP, Translationale Neuroinflammation und Automatisierte Mikroskopie TNM am Standort Göttingen, er sagte: »Neuroinflammatorische Erkrankungen, wie bespielsweise die Multiple Sklerose, sind noch immer schwierig zu behandeln. Nahezu alle bisher verfügbaren Medikamente können die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden und damit das progrediente Fortschreiten der Erkrankungen nur unzureichend eingrenzen. Hier sehen wir den ‚medical need‘, um neue Therapie-Ziele im ZNS für wirksame Therapien zu entschlüsseln. Eine moderne Phase I-Einheit sowie ein exzellentes interdisziplinäres Team unterstützen die Translation in die Klinik und vervollständigen an der UMG den Standort in der Erforschung neuer Arzneimittelkandidaten in der Neuroinflammation. Das geht nur in der Verzahnung und im interaktiven Denken aller relevanten Partner, einschließlich Wirtschaftspartner.«

 

Der Fraunhofer ITMP-Standort Göttingen

Der Fraunhofer ITMP Standort für »Translationale Neuroinflammation und Automatisierte Mikroskopie TNM« wurde im Dezember 2020 gegründet. Unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Jakobs, Klinik für Neurologie der UMG, arbeiten derzeit etwa 15 Mitarbeitende in der Außenstelle. Neben der unmittelbar an der Universitätsklinik angesiedelten ECTU gehören Forschungslabore und Administration in den Gebäuden der UMG im Waldweg 33 und 35 zum Fraunhofer ITMP-TNM. Die Forschungsschwerpunkte liegen in der translationalen Forschung auf dem Gebiet der Neuroinflammation (Entzündungen von Nervengewebe) sowie in der automatisierten Nanomikroskopie. Damit erstreckt sich die Forschung von den Grundlagen bis zur klinischen Forschung mit dem gemeinsamen Ziel, neue Möglichkeiten zur Behandlung neuroinflammatorischer Erkrankungen zu erforschen und in die Anwendung zu bringen. Die Außenstelle wird zunächst für fünf Jahre aus Bundes- und Landesmitteln gefördert.

 

Das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP

Das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP ist eines von 76 Instituten und Forschungseinrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft. Es hat seinen Hauptsitz in Frankfurt am Main und aktuell vier weitere Institutstandorte in Hamburg, Göttingen, Berlin und Penzberg/München. Unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Gerd Geißlinger erforscht und entwickelt das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie ITMP innovative Wege zur Früherkennung, Diagnose und Therapie von bisher nicht oder unzureichend behandelbaren Erkrankungen in Folge gestörter Funktionen des Immunsystems.

Das Fraunhofer ITMP beschäftigt an seinen fünf Standorten aktuell etwa 150 Mitarbeitende. Es ist dabei wissenschaftlich eng verknüpft mit einer Vielzahl an Instituten und Kliniken des Universitätsklinikums der Goethe-Universität Frankfurt am Main, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der Universitätsmedizin Göttingen, der Charité Universitätsmedizin Berlin, der Ludwig-Maximilians-Universität und dem LMU Klinikum München.

Mit seinem Forschungs- und Dienstleistungsangebot richtet sich das Fraunhofer ITMP an die Industrie, an kleine und mittelständische Unternehmen und die öffentliche Hand. Das Fraunhofer ITMP versteht sich hierbei als Partner sowohl für die universitäre Medizin zur konsequenten Translation von Forschungserkenntnissen in die Anwendung als auch für die pharmazeutische und biotechnologische Industrie.